„Abschied von der Russeninsel“ Veranstaltung am 6. Oktober 2024

Foto: Richard Marx

Am Sonntag, den 6. Oktober 2024 veranstaltet der Verein gemeinsam mit „Welten verbinden – Kulturland Brandenburg 2024/25“, dem Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Geschichte und dem Leibniz-Lab „Gesellschaftliche Umbrüche und Transformationen“ am ZZF Potsdam einen Thementag aus Anlass des 30. Jahrestages der sowjetischen Truppen aus Deutschland.

Die Veranstaltung findet im Kulturhaus Küstriner Vorland, Karl-Marx-Str. 36, 15328 Küstriner Vorland statt.

Programm:

10:00 Uhr

Begrüßung durch die Veranstalter

10:20 Uhr 

Die sowjetische Garnison auf der Oderinsel

Bericht über eine Recherche: Tobias Lenel und Wanja Müller

Zwischen dem DDR-Dorf Kietz und der Odergrenze zur polnischen Industriestadt Kostrzyn befand sich seit Beginn der 1950er Jahre bis zum Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland eine sowjetische Garnison. Die dort stationierten Einheiten (Brückenbaupio­niere und chemische Truppen) nutzten die weitestgehend erhalten gebliebenen Gebäude der 1903 an der Oder errichteten Artilleriekaserne. Die Soldaten und Offiziere kamen aus allen Teilen der Sowjetunion. Noch heute sind in den verfallenden Gebäuden und an alten Brückenmauern die Inschriften von Soldaten mit deren Dienstzeit und Herkunftsorten sicht­bar. Was ist aus den sowjetischen Soldaten und Offizieren nach dem Abzug 1991 aus Küstrin-Kietz geworden? Wie erinnern sie sich an ihre Dienstzeit, ihre Begegnungen mit der DDR-Bevölkerung und den Abschied aus Deutschland? Tobias Lenel und Wanja Müller haben sich dazu auf eine teilweise abenteuerliche Spurensuche begeben. 

11:00 Uhr

Sven Johne „Das sowjetische Hauptquartier“

Filmvorführung 

Sven Johnes Film Das sowjetische Hauptquartier (2023) spielt auf dem heute brachliegenden Gelände des ehemaligen Hauses der Offiziere in Wünsdorf, Brandenburg. Das im frühen 20. Jahrhundert im neobarocken Stil errichtete schlossartige Anwesen diente bis 1994 als kultu­relles Hauptquartier der in Ostdeutschland stationierten sowjetischen Truppen. In Johnes Arbeit wird dieses Hauptquartier zum Schauplatz eines Gesprächs zwischen dem zum Erfolg verdammten Immobilienmakler Becker (Marc Zwinz) und der vermeintlichen Interessentin Katharina Baronn (Luise Helm), die zunächst gedankenverloren die Räumlichkeiten besich­tigt. Im Verlauf des Filmes tritt der innere Monolog Katharina Baronns in den Vordergrund: sie erlebte hier als 8-jähriges Kind den Abzug der sowjetischen Truppen. Seither geistert eine sentimentale „Kindersowjetunion“ (Johne) als vermeintliche Alternative zum real existieren­den Kapitalismus in ihren Erinnerungen. In Das sowjetische Hauptquartier geht es um frühe Prägungen, um die Wirkmächtigkeit von Ideologien und um den Abschied von der Kindheit.

11:30 Uhr

Befreundete Besatzer

Ein Gespräch mit dem Filmemacher und Zeitzeug*innen aus Küstrin-Kietz

Moderation: Jürgen Danyel

Kontakte der sowjetischen Militärangehörigen mit der ostdeutschen Bevölkerung sollten möglichst in organisierter Form bei Freundschaftstreffen, am „Tag der Befreiung“ am 8. Mai und anderen offiziellen Anlässen stattfinden. Trotz dieser Abschottung gab es im Alltag viel­fältige Kontakte und Beziehungen zwischen den sowjetischen Militärangehörigen auf der Oderinsel und der DDR-Bevölkerung im Oderbruch: Sowjetische Soldaten halfen bei der Ernte, bei Hochwasser oder auf dem Bau. Sowjetische Offiziersfrauen arbeiteten im Armatu­renwerk von Kietz, regionale Handwerker für die Garnison. Patenschaften mit Schulklassen gehörten ebenfalls zu den direkten Begegnungen. Es gab einen florierenden Tausch- und Schwarzhandel z.B. mit Benzin und Diesel aus Militärbeständen, gelegentlich konnten DDR-Bürger im sogenannten „Magazin“, den kaserneneigenen Verkaufsstellen, Wodka, Sekt, Fischkonserven, Moskauer Eis und russische Süßigkeiten einkaufen. Wie erinnern die Kietzer ihre Begegnungen mit den „Freunden“? Welche Prägungen sind daraus erwachsen? Warum tun sich viele Ostdeutsche so schwer, wenn es um die Kritik an Putins Russland und an den Angriffskrieg gegen die Ukraine geht?

12:30 – 14:00 Uhr Mittagspause

Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung „Die Russeninsel. Spuren einer Begegnung“ in den Räumen des Vereins Kietz-Bahnhof/Dworzec Chyza im Bahnhof Küstrin-Kietz.

Führung: Elke Kimmel (Kietz-Bahnhof e.V.)

14:00 – 15:30 Uhr

Die Oderinsel – Bilanz einer gescheiterten Transformation

Podiumsdiskussion

Moderation: Andreas Rausch (rbb)

Rydzard Skałba (Museum der Festung Küstrin),
Sabine Rennefanz (Journalistin und Autorin),
Małgorzata Popiołek-Roßkamp (Historikerin IRS Erkner),
Jürgen Danyel (Historiker)

Die Oderinsel bei Küstrin-Kietz bietet inzwischen einen traurigen Anblick: Die Folgen des Leerstands und der Verfall der denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Artillerieka­serne sind nicht zu übersehen. Das Gelände ist mit einem Sicherheitszaun abgesperrt. Die Natur erobert das gesamte Areal zurück. 
Nach dem bereits 1991 erfolgten Abzug der sowjetischen Truppen aus Küstrin-Kietz sah dies noch ganz anders aus. Hochfliegende Pläne weckten Hoffnungen auf eine schnelle Konver­sion des umweltbelasteten Militärgeländes an der nun geöffneten deutsch-polnischen Grenze. Auf dem Areal sollten wahlweise eine zollfreie Wirtschafts- und Handelszone oder ein Gesundheitszentrum entstehen. Verwitterte Informationstafeln künden von dem Ver­such, die unter Naturschutz gestellte Oderinsel mit ihrer Artenvielfalt sichtbar zu machen. Im Jahr 2003 beschlossen die Gemeindevertretung von Küstriner Vorland und der Stadtrat von Kostrzyn, sich beim Deutschen Bundestag um die Ausrichtung des geplanten Europäischen Zentrums gegen Vertreibungen auf der Oderinsel zu bewerben. Alle diese und weitere Ini­tiativen scheiterten. Im April 2024 wurden die Planungen des Brandenburger Innenministeri­ums öffentlich, auf der Oderinsel ein Abschiebezentrum für abgelehnte Asylsuchende ein­zurichten. Einmal mehr wurde damit die Oderinsel für die Menschen in Küstrin-Kietz zum Symbol einer gescheiterten Transformation. Wo liegen die Ursachen für diese Entwicklung und welche Perspektiven gibt es angesichts dieser Situation für den abgehängten Ort und die umliegende Oderregion?

15:30 bis 16:30 Uhr

Kaffeepause mit Zeitzeugengesprächen

16:30 Uhr

Exkursion zur Oderinsel

Bustransfer und Führung über das Areal auf der Oderinsel
Martin Rogge (Verein für die Geschichte Küstrins) und Jürgen Danyel 

Audiowalk „Tschernobyl an der Oder“

TSCHERNOBYL AN DER ODER Eine begehbare Recherche
in Küstrin-Kietz, Neu Manschnow und Kostrzyn

Nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl kam radioaktive Strahlung 1986 nicht nur als Wolke ins Oderbruch, sondern auch auf Rädern: Auf Last- wagen, PKW und Zügen. Unter großer Geheim- haltung wurden die Fahrzeuge beim Grenzübertritt in die DDR gewaschen. Einer der Waschplätze liegt unweit des Güterbahnhofs des heutigen Küstrin- Kietz an der Grenze zu Polen. Doch während
auf der deutschen Seite Gerüchte kursieren, dass Menschen wegen ihres Kontaktes mit den ver- strahlten Zügen an Krebs gestorben seien, scheint man auf der polnischen Seite weder von den Waschungen, noch von den verstrahlten Fahrzeu- gen etwas zu wissen. wie gefährlich war die Strahlung, welche Schutzvorkehrungen gab es und wohin gelangte das verseuchte Wasser?

Der von dem Journalisten Robert Dobe in Zusammenarbeit mit unserem Verein konzipierte und umgesetzte Audiowalk erzählt die Geschichte dieses spannenden Kapitels des Umgangs mit den Folgen der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl in der Grenzregion an der Oder. Die Recherche kann vor Ort an verschiedenen Stationen erkundet werden oder wie ein Podcast online oder per download angehört werden.

Trailer zum Audioguide

Der Audioguide kann über die Plattform guidemate abgerufen werden

Hinweise zur Benutzung:

Der Audiowalk ist in drei Kapitel gegliedert: Küstrin-Kietz, Neu Manschnow und Kostrzyn. Sie sind als
unabhängige Erzählungen und Rundgänge konzipiert, die zu Fuß abgelaufen werden können. Die drei Orte liegen jedoch relativ weit voneinander entfernt. Deshalb ist es ratsam, dazwischen ein Fahrrad, Auto oder den Nahverkehr zu nutzen.

Kapitel 1: Küstrin-Kietz – Ein ungeheuerliches Gerücht

Station 1–5
Wegstrecke: 1,5 km
Startpunkt: Bahnhofsvorplatz Küstrin Kietz
Spieldauer: ca. 30 min

Kapitel 2: Neu Manschnow – Die Waschung der Züge

Station 6–10
Wegstrecke: 1 km
Startpunkt: Oderdeich (Zugang über Ausbau West)
Spieldauer ca. 30 min

Kapitel 3: Kostrzyn – Was ich nicht weiß…

Station 11–15
Wegstrecke: 2 km
Startpunkt: Bahnhof Kostrzyn (Gleis 1)
Spieldauer: ca. 30 min

Credits:

Ein Projekt des Kietz Bahnhof/Dworzec Chyza e.V. 2023
Mit: Joachim Welke, Heidemarie Lehmann, Günter Sigmund, Melanie Arndt, Sebastian
Pflugbeil, Peter Strohbach, Gerhard Schwagerick, Ryszard Ilnicki und Janusz Korpowski
Es sprechen: Anna König und Sarah Schindler
Sprachaufnahmen: Johannes Wronka (Mixwerk)
Konzeption, Regie und Schnitt: Robert Dobe
Projektverantwortung: Jürgen Danyel
Übersetzung: Ewelina Wanke
Fotos: Holger Herschel und Jürgen Danyel
Grafik: Svenja Hinrichs
Inspiriert von: Tobias Lenel
Mit Zitaten aus Akten des Stasi-Unterlagen-Archivs, des Brandenburgischen Landeshauptarchivs und des Bundesarchivs

Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Ausstellung zu den Eisenbahnbrücken über die Oder

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Blick auf die Ausstellung

Eine neue Open Air Ausstellung direkt am Bahnhof Küstrin-Kietz zeichnet mit großformatigen Fotos und historischen Informationen die wechselvolle Geschichte der Eisenbahnbrücken über die Vorflug und die Oder nach. Anlass für die Ausstellung ist die am 31. Juli erfolgte Eröffnung der neuen Bahnbrücke über die Oder. Seit dem 29.7. 2024 fahren die Züge der RB 26 nun wieder bis nach Kostrzyn und überqueren dabei die neuartige Netzwerkbogenbrücke mit Carbonhängern. Die Ausstellung wurde von Marcin Wichrowski vorbereitet.

Ein Projekt des Vereins Oderläufe in Zusammenarbeit mit dem Kietz-Bahnhof/Dworzec Chyza e.V., gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“