Kietzer Wenden

Am 6. Mai 2023 wird im Bahnhof Küstrin-Kietz-Kietz unsere neue Ausstellung „Kietzer Wenden. Lebenswelten im Umbruch eröffnet.

Mit dem Herbst 1989 begann für die Menschen in Ostdeutschland eine Zeit des Umbruchs. Am 3. Oktober 1990 hörte die DDR auf zu existieren. Mit der deutschen Einheit gingen Veränderungen in nahezu allen Lebensbereichen einher. 
Welche Erfahrungen haben die Menschen in Küstrin-Kietz nach dem Ende der DDR und in der deutschen Vereinigungsgesellschaft gemacht? Wie sah ihr weiterer beruflicher und privater Lebensweg aus? Wie haben sie den rasanten Wandel ihrer Lebenswelt verkraftet und verarbeitet? Welche Erwartungen hatten sie und wie haben sie die neu gewonnenen Freiheiten, nicht zuletzt die Freizügigkeit im Verhältnis zu ihren polnischen Nachbarn an der Grenze genutzt? 

In biografischen Interviews und mit Porträtaufnahmen des Fotografen Holger Herschel zeichnet die Ausstellung die Lebensgeschichten und Erfahrungen von Kietzerinnen und Kietzern in dieser Zeit des Umbruchs nach 1989/90 nach. Sie versteht sich als Beitrag zu einer Alltagsgeschichte der deutschen Vereinigung. Unter dem Motto „Wo kommen wir her und wo stehen wir heute?“ lädt sie Besucherinnen und Besucher zum Gespräch über die zurückliegenden Jahrzehnte und die Situation im Osten Deutschlands, unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze ein.

Die Ausstellung läuft vom 6. Mai bis zum 1. Oktober 2023 und ist Sonnabend und Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.

Der Kulturbahnhof ist eröffnet

Am 4. Juli 2020 konnten endlich unsere umgestalteten und mit Fördermitteln der Lotto-Stiftung renovierten Vereinsräume im Bahnhof Küstrin-Kietz eröffnet werden. Ein kleines Café steht künftig an den Wochenenden für Besucher*innen, Reisende, und Touristen in der Region offen. Bei Kaffee und Kuchen vom örtlichen Bäcker freuen sich die Vereinsmitglieder über Gespräche zur wechselvollen Geschichte des Bahnhofs und der Grenzregion und geben gern Tipps, wie man deren Spuren in der Umgebung entdecken kann. Darüber hinaus präsentiert der Verein in den freundlich gestalteten Räumen künftig regelmäßig Wechselausstellungen. Den Auftakt macht die Plakatausstellung „Umbruch Ost: Lebenswelten im Wandel“, die von der Bundestiftung zur Aufarbeitung entwickelt wurde. Zur Eröffnung signierte Vereinsmitglied Paul Rehfeld sein Buch „Grenzbahnhof“. Der Tag der offenen Tür im Bahnhof bot zugleich die erste Gelegenheit, die in einem deutsch-polnischen Projekt entstandene Modelleisenbahnanlage in Augenschein zu nehmen. Das von der Euroregion PRO EUROPA VIADRINA geförderte Projekte rekonstruiert die Grenzbahnhöfe in Küstrin-Kietz und Kostrzyn und die sie verbindende Streckenführung über die Oder. Breits an diesem Tag löste die Anlage viele Erinnerungen von ehemaligen Eisenbahner*innen aus und kann damit die Zeitzeugenarbeit des Vereins unterstützen. Für jüngere Besucher*innen ist sie ein ansprechendes Objekt, an dem sich Geschichte und Geschichten rund um den Bahnhof vermitteln lassen.

Die Märkische Oderzeitung hat am 6. Juli 2020 einen ausführlichen Bericht über die Eröffnung veröffentlicht.

Wortlaut des Artikels:

„Mit der Buchpremiere und anderen Attraktionen haben die Mitglieder des deutsch-polnischen Geschichts- und Kulturvereins Kietz-Bahnhof / Dworzec Chyza ihren „Kulturbahnhof“ eingeweiht. Zweieinhalb Jahre sind seit der Gründung des Vereins vergangen, der sich die Wiedernutzbarmachung des Bahnhofsgebäudes für die Öffentlichkeit auf die Fahnen geschrieben hat.

„Wir haben den Bahnhof stehen lassen“, sagt Golzows Amtsdirektor Lothar Ebert am Samstag scherzhaft zum Vereinsvorsitzenden Uwe Bräuning. Tatsächlich lag die Fliegerbombe, die am Tag zuvor entschärft worden war, nur rund 150 Meter entfernt.

Ebert ist nur einer der Ehrengäste, die gekommen sind, um dem rührigen Verein Respekt für das Erreichte zu zollen. Seelows Bürgermeister Jörg Schröder weiß, dass die 16 000 Euro Lottomittel, die der Verein zum Renovieren und Ausstatten eines Teils des alten Bahnhofsgebäudes zur Verfügung hatte, nichts sind im Vergleich zu dem, was die Kreisstadt zum Ausbau ihres Bahnhofsgebäudes bekommt.

Corona hat auch hier gebremst. Eigentlich sollte der Kultur- und Geschichtsbahnhof schon zu Pfingsten eingeweiht werden. „Doch unsere polnischen Freunde sollten unbedingt dabei sein. Und das ging ja bis vor Kurzem nicht“, erinnert Bräuning. Sein Stellvertreter Jürgen Danyel spricht bei der Begrüßung der Gäste vom Bahnhof als einem „Symbol des Ortes, das jetzt ins Bewusstsein zurück geholt“ werde. Und er kündigt weitere Aktivitäten an: Eine Fotoschau mit Motiven aus den 50-er und 60-er Jahren zum Beispiel und eine Befragung der Kietz-Bewohner, wie sie die Wende und Wiedervereinigung erlebt haben.

Die Erinnerung wird bewahrt

Das wäre ein Anknüpfen an die Ausstellung „Umbruch Ost: Lebenswelten im Wandel“ der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die jetzt in drei Räumen des Bahnhofs zu sehen ist. Und an Paul Rehfelds Buch, in dem der Berliner, der in Küstrin-Kietz geboren und aufgewachsen ist, den Erzählbogen von den 50-er bis in die 90-er Jahre spannt.

Aus dem Erlös des rund 700 Seiten dicken Romans, der zunächst in einer Auflage von 500 Stück gedruckt wurde, unterstütze er den Verein, sagt Rehfeld beim Buchverkauf in der zum Veranstaltungsraum umgestalteten ehemaligen Bahnhofskneipe.

Während kaum 200 Meter entfernt gerade der alte Güter-Grenzbahnhof für einen modernen P&R-Parkplatz abgerissen wird, erhält der Bahnhofsverein die Erinnerung in Miniatur: Benjamin Neidereck (30), in eine Küstrin-Kietzer Eisenbahnerfamilie hinein geboren und von Kindesbeinen an Modellbauer, baut mit dem Kostrzyner Romuald Komorowski gerade eine TT-Anlage nach dem Vorbild des alten Grenzbahnhofs auf.

Der Geschichts- und Kulturbahnhof ist ab sofort samt seinem kleinen Café an den Wochenenden jeweils von 10 bis 16 Uhr geöffnet.“

URL des Beitrags: https://www.moz.de/lokales/seelow/eisenbahngeschichte-kulturbahnhof-kuestrin-kietz-eroeffnet-50383789.html